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Buch: „Schlampen mit Moral“
Buch: „Schlampen mit Moral“

Buch: „Schlampen mit Moral“

Ich möchte ein Buch* vorstellen, was mich gerade beschäftigt hat. „Schlampen mit Moral – Warum es an der Zeit ist, Sex und Liebe neu zu denken – wie Polyamorie, offene Beziehungen und andere Abenteuer gelingen können“ ist ein Klassiker (hier in der erweiterten Neuauflage) von Dossie Easton und Janet W. Hardy mit dem englischen Originaltitel „The ethical slut“. Es ist 2014 in der ersten Auflage im mvg Verlag erschienen.

Das Buch gliedert sich in den ersten, quasi theoretischen Teil übers „Schlampentum“, klärt Begrifflichkeiten und Geschichte ums Thema Polyamorie und stellt verschiedene Möglichkeiten und Denkräume zusätzlich und ergänzend zum Standardnarrativ der monogamen Beziehung vor und zur Verfügung. Im zweiten Teil dreht es sich um die Praxis nicht-monogamer Lebensformen, hilfreiche Denkansätze sowie die Kunst, Grenzen zu bemerken und zu kommunizieren. Auch das Thema Safer Sex wird ausführlich besprochen. Besonders bemerkenswert finde ich hier auch den Absatz zum Thema, wie Kindern das Thema Polyamorie kommuniziert werden kann. Im dritten Teil werden mögliche Schwierigkeiten, wie beispielsweise Eifersucht, Konflikte, und wie man eine bestehende Beziehung öffnen kann, beschrieben. Der vierte Teil widmet sich speziellen Beziehungsformen innerhalb des „Poly-Spektrums“ inklusive Gruppen(-Sex) und Orgien.

Im folgenden werde ich einige Gedanken aus dem Buch in loser Folge beschreiben, die ich gern festhalten möchte.

Teil 1 – Willkommen

S. 86: „(…)Beziehungsstrukturen sollten so gestaltet sein, dass sie den Menschen darin gerecht werden. Leider läuft es oft genau andersherum und die Menschen versuchen, ihrem Ideal von „perfekter Beziehung“ gerecht zu werden“. Dem ist nichts hinzuzufügen 🙂

S. 86: „(…) „Ich habe mit einer Freundin gesprochen, die monogam lebt, und mir kam das wie eine seltsame Art von BDSM-Vertrag vor: eine Vereinbarung, ihr sexuelles Leben nur mit einer einzigen Person zu teilen. Natürlich nicht falsch, wenn beide damit einverstanden sind. Nur irgendwie… seltsam.““ So herum klingt Monogamie wirklich seltsam. Interessanter Blickwinkel!

S. 87: „(…) viele Menschen (würden) je nach Lebensphase unterschiedliche Beziehungsstile wählen: Im frühen Erwachsenenalter wären sie Schlampen, in den hektischen Jahren des Karriereaufbaus und der Kindererziehung würden sie monogam leben, im mittleren Alter (…) ein polyamores Leben führen und schließlich in eine sanfte liebevolle Enthaltsamkeit hineingleiten“. Diese Beobachtung deckt sich mit meiner, die ich eher in den drei Dimensionen der Sexualität beschrieben habe: In jüngeren Jahren steht häufig die Lustdimension im Vordergrund, im mittleren Abschnitt die Fortpflanzungsdimension und im Alter (und natürlich auch immer sonst.. ) die Beziehungsdimension, wobei das natürlich unterschiedlich ist und keine Wertung beinhaltet.

Teil 2 – angewandtes Schlampentum

S. 90: „Mangelwirtschaft: Die üblichen Vorstellungen von Sex beruhen auf der impliziten Annahme, es gebe nicht genug Liebe, Sex, Freundschaft oder Verbindlichkeit auf dieser Welt. Glaubt man jedoch, dass es nur eine begrenzte Menge von dem gibt, was man will, kann es sehr wichtig erscheinen, sich seinen Anteil zu sichern. (…) Diese Denkweise ist Quatsch. Wenn man ein zweites Kind bekommt, liebt man das erste doch nicht weniger. (…) Die Angst vor der eingebildeten Not zu überwinden, gehört zu den schwierigsten Aufgaben der moralischen Schlampe. Der Schritt ist gruselig: Man muss etwas loslassen, von dem man glaubt, es gehöre einem, und darauf vertrauen, dass eine großzügige Welt es vielfach zurückgeben wird.“ Diese Art von Besitzansprüchen hat in meiner Erfahrung schon viel Leid verursacht. Menschen lassen sich gegenseitig (nicht nur im Sexuellen) nicht frei entfalten, aus Angst, Kontrolle, Macht, Liebe oder Sex zu verlieren, oder selbst weniger wichtig zu werden. Wäre es nicht schöner, die Partner*In*nen würde*n von allein zu einem (zurück) kommen, statt qua „Treueschwur“ dazu gezwungen zu werden?

Zeichen für Polyamorie, Quelle: Wikipedia, abgerufen am 11.07.22

S. 103/104: „Verantwortung für die eigenen Gefühle übernehmen. (…) Akzeptieren Sie, dass niemand Sie eifersüchtig oder unsicher „macht“- der Mensch, der Sie so fühlen lässt, sind Sie selbst. (…) Die Wahl (wie Sie auf etwas emotional reagieren) treffen Sie selbst, wenn auch meist unbewusst. (…) Mitunter fällt es schwer, die Verantwortung für seine Gefühle zu übernehmen, vor allem wenn an sich schrecklich fühlt. Da is es einfacher, jemand anderem die Schuld dafür zu geben- und praktierschweise auch gleich die Verantwortung zuzuschieben, etwas zu unternehmen. (…) Wenn man anderen die Schuld an den eigenen Gefühlen unterscheibt, gibt man die Möglichkeit aus der Hand, selbst an seinem Zustand etwas zu ändern. (…)Nimmt man hingegen seine Gefühle an, eröffnen sich plötzlich Wahlmöglichkeiten. (…) Dies ist zugleich der perfekte erste Schritt auf dem Weg zu Selbstannahme und Selbstliebe“

S. 105: „AFOG- Another fucking opportunity for growth“ Wenn man also überreagiert hat, oder jemand anderem die Schuld für seine Emotionen in die Schuhe schieben wollte, kann man das liebevoll als Lerngelegenheit umarmen 😉

S. 112: „Womöglich stellen Sie fest, dass Sie bei verschiedenen Partner*Innen verschiedene Rollen spielen und sich dann auch wie eiene andre Person vorkommen. (…) Das ist einer der Vorteile, die man als multiplen Beziehungen ziehen kann: Man bekommt die Chance, verschiedene „Ichs“ auszuleben.“ Diese Beobachtung finde ich superspannend, da ich oft die Erfahrung mache, dass Menschen in Ihren Beziehungen sich festgefahren fühlen und eingespielte Dynamiken haben, die sehr schwer aufzuweichen sind, unter denen sie aber leiden. Hier könnte ich mir vorstellen, dass sich durch Beziehungserfahrungen mit weiteren Partner*Innen diese festgezimmerten Annahmen über sich oder seine*n Partner*In lockern lassen, mehr Rollen möglich sind, flexiblere Verhaltens- und Gedankenmuster ausprobiert werden können, ohne das „Gesicht zu verlieren“, vielleicht auch vor sich selbst…

S. 139/140: „Kinder (…) leben ganz selbstverständlich in solchen Konstellationen, die ihnen möglicherweise sogar stärker entgegenkommen als Kleinfamilien: Schließlich wuchsen Kinder seit Anbeginn der Menschheit in Stämmen und Dörfern auf.“ Dieser Aspekt findet sich auch in diesem Buch. (…) „Wir glauben, dass die binäre Denkweise der monogamen Kultur zu Problemen führt: Du bist entweder die Liebe meines Lebens oder raus mit dir. (…) Wer andere, differenziertere Beziehungen zulösst, eröffnet auch den Kindern ein reicheres Leben.“

Teil 3 – Schwierigkeiten bewältigen

S. 208: “ Therapeut*Innen interpretieren Seitensprünge üblicherweise als Symptom für einen Missstand in der Beziehung – behebt man diesen Mangel, gibt es auch keinen Grund zum Fremdgehen mehr. Und manchmal stimmt das tatsächlich. Aber oft geht es bei Seitensprüngen sclhicht um etwas anderes, und es ist unfair, von einer gut funktionierenenden Beziehugn zu behaupten, dass mit ihr etwas falsch sei, nur weil sexuelle Bedürfnisse dazu neigen, aus der Reihe zu tanzen.“ Erwischt- so habe ich auch schon mal gedacht… Vielen Dank für diese alternative Sichtweise!

Ich freue mich über Ihre und eure Rückmeldung!

*nicht gesponsort