Heute ist es wieder Zeit, ein Buch* vorzustellen, über das man sicherlich vortrefflich diskutieren kann. Mich hat es jedenfalls an manchen Stellen sehr beeindruckt, an manchen Stellen befremdet, häufig auch zum Schmunzeln gebracht, sodass ich Sie und euch einlade, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Der Klappentext schreibt folgendes:
»Die Bibel der Polyamoristen«
Ulrich Clement
Monogamie ist von der Natur nicht vorgesehen. Mit dieser wissenschaftlich fundierten Erkenntnis stellen die Autoren unser Verständnis menschlicher Evolution und den angeblichen Kern unserer westlichen Gesellschaften infrage: die monogame Paarbeziehung. Dieses Buch stellt so ziemlich alles infrage, was wir bislang über Partnerschaft, Ehe und Gesellschaft geglaubt haben. Die beiden Autoren untersuchen die prähistorischen Wurzeln der menschlichen Sexualität und hinterfragen, welches Sexual- und Paarungsverhalten das natürliche ist. Die Veranlagung zur Monogamie, die Darwin und nach ihm viele Evolutionsbiologen konstatierten, ist eine krasse Fehlinterpretation. Die Autoren greifen die Wurzeln unseres Verständnisses von Ehe, Partnerschaft und Gesellschaft an und argumentieren damit gegen eine ganze Zunft, die Monogamie als genetische anthropologische Konstante betrachtet.“
Stützt sich auf Forschungsergebnisse aus der Anthropologie, Primatologie, Physiologie und Vorgeschichte.
Ausschnitte
Im Folgenden eine lose Zusammenstellung von Textstellen aus den verschiedenen Buchteilen, die ich interessant finde, jeweils mit Seitenzahl.
Über die Entstehung der Arten
S. 56: „Doch obwohl Frauen angeblich keine besonders sexuellen Geschöpfe sind, haben sich Männer auf der ganzen Welt schon immer die größte Mühe gegeben, die weibliche Libido zu kontrollieren: durch Verstümmelung der weiblichen Genitalien, eine Verhüllung von Kopf bis Fuß, (…) Keuschheitsgürtel (…). Wozu aber braucht man einen derartigen Hochsicherheitszaun samt Starkstrom und Stacheldrat, wenn man nur ein kleines Kätzchen einsperren will?“
Wolllust im Paradies
S. 113: „{die Vorstellung von mehr als nur einem Vater} führen zu interessanten Auffassungen von „verantwortungsvollem“ Sexualverhalten. Wie alle Mütter auf der Welt möchten Frauen in solchen Gesellschaften {im Amazonasgebiet} ihrem Kind gerne alle nur erdenklichen Vorteile mit auf den Weg geben. Um das zu erreichen, versuchen sie, mit einer Reihe von Männern zu schlafen {um von jedem quasi den besten Beitrag zu bekommen}.
S. 121: „Keine nichtmenschliche, in Gruppen lebende Primatenart ist monogam, und in jeder menschlichen Gesellschaft wurde Ehebruch dokumentiert-selbst in Gesellschaften, in denen deswegen die Steinigung droht“
S. 156: „Ein Treueschwur gilt als unangemessen, als der Versuch eines Handels, als Feilschen. Offene Eifersucht empfinden die Moso als Aggression, da sie die geheiligte Autonomie eines anderen Menschen untergräbt – sie bereitet Schande und wird mit Spott bedacht.“
S. 176: „Alle Mutmaßungen über die Abstammungsgeschichte der Menscheit sprechen für eine liberalere Sexualmoral, in der die sexuellen Praktiken in erster Linie als Bindungsmittel und nur in zweiter Linie als MIttel der Fortpflanzung zu gelten haben.“
Was unsere Körper erzählen
S. 254: „Arten, die häufig Geschlechtsverkehr haben, brauchen größere Hoden, und besonders groß müssen die Hoden sein, wenn für gewöhnlich mehrere Männchen mit einem fruchtbaren Weibchen verkehren. (…) Die Korrelation zwischen Schlampen und dicken Eiern findet man nicht nur bei Menschen und anderen Primaten, sondern auch bei Vögeln, Schmetterlingen, Reptilien und Fischen.“
S. 256: „Die Spermienkonkurrenz hilft auch zu verstehen, warum keine Primatenart mit mehreren Männern in einer Gruppe monogam ist. Es würde einfach nicht funktionieren.“
S. 262: „Besonders offensichtlich wird diese Sperma-Power, wenn man die ersten und letzten Ausstöße eines ejakulierenden Mannes miteinander vergleicht. (…) Die Substanzen schützen die Spermien (…) vor chemischen Stoffen aus den letzten Ejakulat-Ausstößen anderer Männer. Diese enthalten spermizide Substanzen, die Nachzügler verlangsamen.“
S. 269: „Nach unserer Theorie entwickelte sich die einzigartige Form des menschlichen Penis, der Samen anderer Männer aus der Vagina entfernen kann, durch die Konkurrenz um die Vaterschaft.“
S. 271: „Männer, die im Alter von 20 bis 50 mehr als fünf Mal in der Woche ejakulieren, (hatten) im späteren Leben ein um ein Drittel vermindertes Risiko für Prostata-Krebs.“
S. 272: „Häufige Orgasmen korrelieren auch mit besserer Herzgesundheit.“
S. 293: „… für die Weibchen einer monogamen (oder „mild polygynen“)Spezies ergibt es einfach keinen Sinn, bei der Paarung Aufmerksamkeit {durch Kopulationsrufe} zu erregen.“
S. 302: „Wie schon der aufwendige Penis und die äußeren Hoden spricht auch das ausgeklügelte Design des Muttermundes für die Promiskuität unserer Vorfahren.“
Männer stammen aus Afrika, Frauen auch
S. 314: „Da die Pille den Menstruationszyklus beeinflusst, erscheint es plausibel, dass sie sich auch auf die Vorlieben einer Frau auswirken könnte. (…) „Wenn eine Frau sich für einen Mann entscheidet, während sie die Pille nimmt, und dann die Pille absetzt, um ein Kind zu bekommen, könnte sie plötzlich feststellen, dass sie mit dem falschen Mann verheiratet ist“.“
S. 318: „In ihrem Buch Sexual Fluidity schreibt sie {Lisa Diamond, Sexualwissenschaftlerin} darüber, dass viele Frauchen sich eher zu bestimmten Menschen hingezogen fühlen als zu deren Geschlecht. Nach ihrer Meinung reagieren Frauen so stark auf emotionale Intimität, dass diese schwerer wiegen kann als die angeborene sexuelle Orientierung.“
S. 334: „Wie wir bereits erwähnt haben, sinkt der Testosteronspiegel bei Männern im Lauf der Jahre ab; das liegt allerdings nicht nur am Alter – die Monogamie selbst scheint bei Männern die Testosteronproduktion abzuwürgen. Verheiratete Männer haben durchgehend niedrigere Hormonspiegel als ihre alleinlebenden Altersgenossen; noch niedriger sind die Hormonwerte bei Vätern kleiner Kinder.“
S. 324: „Mit einer Ausnahme korrelierte bei allen Kulturen, zu denen Daten verfügbar waren (48 von 49), ein „Mangel an körperlicher Zuwendung im Verlauf des gesamten Lebens, doch insbesondere in den prägenden Jahren der Kindheit und Jugend“ eng mit einer „Häufung kriegerischer Akte und interpersoneller Gewalt“. Kulturen, die die körperliche Mutter-Kind-Bindung nicht stören oder die Sexualität Heranwachsender nicht unterdrücken, sind weit weniger gewalttätig – sowohl auf der individuellen als auch der gesellschaftlichen Ebene.“
*Wie immer bin ich nicht gesponsort, ich erhalte keine Provision und nix. Ich hab es einfach selbst gekauft und gelesen. Eine weitere Empfehlung ist „Sie hat Bock“ von Katja Lewina
Falls Sie und ihr dazu Feedback oder Fragen habt, schreibt mir gerne eine Mail!
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